Gesellschaft
für
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Was war nicht alles
geplant und gedacht gewesen! Seit Jahren, lange bevor René Kollo seine
unrühmliche Intendanz antrat, hatten einige engagierte Personen -
innerhalb und außerhalb des Theaters - nach geeigneten Formen des
Jubiläums gesucht: Galas ersonnen, die Rekonstruktionen früherer Legenden
wie die Metropolrevuen geprüft, ganze Spielpläne und Festkonzepte
entworfen, Materialien für Ausstellungen und Publikationen
zusammengetragen, Kontakte geknüpft und sich zu guter Letzt auch - ganz
individuell - auf die kommenden, scheinbar so unweigerlich eintretenden
Ereignisse gefreut.
Ein Theater wird 100 Jahre! Das ist, gerade in dem zerbombten Deutschland, wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Schon hierin läge genug Grund zum Gedenken. Doch dann dieses Theater! Drei Mal ist das Metropol in Berlin umgezogen (gegründet 1898 in der Behrenstraße, nach 1945 behelfsweise im Kino Colosseum in der Schönhauser Allee untergebracht, seit 1954 im ehemaligen Admiralspalast in der Friedrichstraße) und immer blieb es eine Stätte des unterhaltenden Musiktheaters. Bruchlos wie sonst in Berlin nur das Deutsche Theater für Schauspiel und die Staatsoper Unter den Linden für die repräsentative Oper war das Metropoltheater immer eine Bühne des vergnüglichen, musikalischen Spiels. Revuen, Operetten und in den letzten dreißig Jahren zunehmend Musicals kamen auf die Bühne. Nicht immer waren die Inszenierungen erfolgreich (wie sollte auch), doch der enge Kontakt zum Publikum, die Suche nach dem zeitgemäßen künstlerischen Ausdruck und die Lust auf musikalische Novitäten ging nie verloren. Zu den Darstellern zählten etwa Fritzi Massary, Richard Tauber, Gitta Alpar, Leo Slezak, Wilhelm Bendow, Paul Morgan, Johannes Heesters, Friedel Schuster, Paul Westermeier, Clara Tabody, Käthe Dorsch, Michael Bohnen und Viktor de Kowa. Zu den Komponisten, die hier ihre Werke in guten Händen wußten, gehörten Paul Lincke, Walter Kollo, Viktor Hollaender, Leo Fall, Franz Lehár, Oscar Strauss, Friedrich Schröder und Gert Natschinski. Und zu den Uraufführungen, die im Metropoltheater herauskamen, zählen neben den Jahresrevuen vor dem Ersten Weltkrieg so bekannte Werke wie "Die Kinokönigin", "Das Land des Lächelns", "Maske in Blau" und "Mein Freund Bunbury". |
Stolz könnte die Stadt
Berlin sein! Auch auf den Brettern, die das Lachen und die Rührung
bedeuten, fand Zeitgeschichte statt - nicht nur in den zwanziger Jahren.
Sei es nun, daß man den vermuteten Zusammenstoß der Erde mit dem Kometen
Halley 1910 übermütig mit dem Schlager "Am 18. Mai ist der Weltuntergang,
wir leben nicht mehr lang..." begrüßte, die Betriebskonzeption des
privaten Unternehmens ein frühes "Urban Entertainment Center" (wie man
heute sagen würde) mit Spieltätte, Hotel und einer differenzierten
Gastronomie auswies, die jüdischen Künstler aus dem Repertoire der
dreißiger Jahre getilgt wurden oder man die Libretti nach 1945 im Sinne
des Sozialismus bearbeitete - an der Geschichte des Metropoltheaters läßt
sich mehr ablesen als nur bedenkenloses Amüsement.
Nur wenige andere Städte können mit ähnlichen Häusern prunken: Hamburg etwa mit dem Hansa-Theater, Halle mit dem Steintor-Varieté und München mit dem Deutschen Theater. Mehr Spielstätten mit einer vergleichbar langen, ungebrochenen Unterhaltungstradition gibt es schon nicht. Bereits das Ronacher - um Wien mit einzubeziehen - war zwischenzeitlich Heimstatt des Burgtheaters und somit einer anderen Nutzung zugeführt. Geht man jedoch heute durch die Friedrichstraße, stößt man auf verschlossene Türen: Seit mehr als einem Jahr - die längste Zeit seit Eröffnung des Hauses vor einhundert Jahren! - bleibt der Zuschauerraum leer, können keine festlich gestimmten Gäste mit Sekt anstoßen, erschallt kein fröhliches Lachen durch die Gänge. Das Jubiläum fällt aus! Die Stadt will nicht. Es ist ihr offensichtlich egal. Keine Ausstellung also, kein Buch, keine Gala mit Grußworten aus aller Welt und berühmten Persönlichkeiten im Parkett. Nur zwei trotzige Veranstaltungen im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, veranstaltet vom ehemaligen Ensemble und der aus Sozialismus-Zeiten herrührenden "Volkssolidarität". Berlins Kultursenator tat gut daran, nicht hinzugehen. Er wäre vermutlich ausgepfiffen worden. Wolfgang Jansen . |